Biblische Texte sind unter anderem deswegen so faszinierend, weil sie sehr bewusst und absichtsvoll geschrieben wurden. Jedes Wort, jede Formulierung ist wichtig und steht genau an der richtigen Stelle. Das gilt nicht nur für einzelne Textabschnitte, sondern auch für gesamte Bücher in der Bibel. Aus diesem Grund ist es durchaus lohnenswert, sich anzuschauen, wo ein bestimmtes Wort und eine bestimmte Formulierung überall in einem biblischen Buch vorkommt und auf mögliche Muster zu achten.

Nehmen wir zum Beispiel das Wort „Höhle“ im ersten Buch Mose. Wenn man den Begriff in einer Konkordanz oder einem Bibelprogramm nachschlägt, stellt man fest, dass er genau elf Mal in diesem Buch vorkommt – zunächst in 1. Mose 19,30, wo Lot und seine beiden Töchter die Stadt Zoar verlassen und in eine Höhle in den Bergen ziehen und dann zehn Mal in 1. Mose 23, 25, 49 und 50, wo es jeweils um die Höhle von Machpela geht, die Abraham dem Hetiter Efron abgekauft hat. Es gibt also zwei Höhlen im ersten Buch Mose: die Höhle von Lot und seiner Familie und die Höhle von Abraham und seiner Familie. Das ist deswegen interessant, weil diese beiden Männer in der Abrahamgeschichte in 1. Mose 12-25 immer wieder einander gegenübergestellt und miteinander verglichen werden. Und auch die elf Höhlen-Texte zeigen den Kontrast zwischen Lot und Abraham auf.

Während die Höhle von Abraham und seiner Familie mehrere Male erwähnt wird und selbst nach dem Tod Abrahams noch eine wichtige Rolle für die Familie zu spielen scheint, wird die Höhle Lots nur einmal erwähnt und veranschaulicht sehr deutlich, wie sich Lots Schicksal gewendet hat. Der einst reiche Mann, der in den Städten der Ebene gewohnt hatte (1. Mose 13,12; 19,29) hat alles verloren, außer seinen beiden Töchtern, mit denen er nun in einer Höhle Zuflucht suchen muss, weil er Angst hat in Zoar zu bleiben (1. Mose 19,30). Doch ironischerweise wird aus dem Zufluchtsort ein Ort der Schande: Lots eigene Töchter machen ihn betrunken und werden von ihrem Vater schwanger (beachte die Wiederholung der Begriffe “Vater” und “liegen (bei)” in den Versen 30-38). Da sie keine andere Möglichkeit sehen, die Linie Lots erhalten, nehmen die Töchter die Sache in die eigene Hand und zeigen so, dass sie die gleiche Einstellung wie ihr Vater haben, der für sich die ganze Ebene wählte (1. Mose 13,11).

Abraham, dagegen, wartet in Kapitel 13 auf Gott und erhält die Zusage, dass er und seine Nachkommen das ganze Land besitzen werden (1. Mose 13,15-17). Im Gegensatz zu Lot, der nach dem Tod seiner Frau in eine Höhle flieht, kauft Abraham nach dem Tod seiner Frau eine Höhle von den Hetitern, um sicherzustellen, dass Sara ein angemessenes und ehrenvolles Begräbnis bekommt. Der Kauf ist bedeutsam, denn das Stück Land auf dem die Höhle sich befindet, ist der erste Besitz Abrahams im Land Kanaan und daher eng mit der göttlichen Verheißung in Kapitel 13 verbunden. Zugleich zeigt die Geschichte in 1. Mose 23 nicht nur wie reich Abraham ist, sondern auch wie sehr die Hetiter ihn respektieren – ein weiterer Kontrast zu Lot, der von den Männern von Sodom verspottet und bedroht wird (1. Mose 19,9) Und während die beiden Töchter Lots in der Höhle mit ihm schlafen, begraben die beiden Söhne Abrahams ihn in der Höhle als er stirbt (1. Mose 25,8-9). Während die Geschichte Lots also auf schändliche Weise endet, weil seine Töchter ihr Vertrauen nicht auf Gott setzen, endet die Geschichte Abrahams mit Ruhe und Ehre sowie Hoffnung und Vertrauen auf Gottes Verheißung, dass Abrahams Same (den Gott auf wundersame Weise gibt!) eines Tages das Land besitzen wird.