Leitwörter & Schlüsselbegriffe (Teil 1)

Bis jetzt haben wir durch unser Studium der Schöpfungsgeschichte und anderer Textabschnitte festgestellt, dass Wiederholungen ein wichtiges Merkmal biblischer Text sind, auf das wir achten sollten. Das ist unter anderem deswegen sinnvoll, weil es uns hilft Leitwörter und Schlüsselbegriffe zu erkennen.

Leitwörter und Schlüsselbegriffe sind ein wichtiger Bestandteil biblischer Texte, weil sie dem Leser einen ersten Hinweis darauf geben, um was es in einem bestimmten Text geht. Schlüsselbegriffe kommen manchmal nur ein einziges Mal in einem Text vor. Leitwörter dagegen werden meistens mehrmals wiederholt, wobei es manchmal gar nicht so leicht ist, diese Wiederholungen in unseren deutschen Bibeln zu entdecken, da die Übersetzer verschiedene Begriffe/Synonyme benutzen, um ein und denselben Begriff der Originalsprache wiederzugeben. Das ist bedauerlich, denn gerade durch Wiederholungen will der Autor einen Punkt rüberbringen. Um dieses Problem vollständig zu beheben, muss man Hebräisch, Aramäisch und Griechisch lernen. Wem das nicht möglich ist, sollte versuchen eine Übersetzung zu verwenden, die so nah wie möglich an der Originalsprache dran ist.

Gehen wir also nochmal zurück zum Schöpfungsbericht und schauen uns die Wörter an, die am Häufigsten in dieser Geschichte wiederholt werden:

Gott                                   35 Mal

Sein/Werden                   27 Mal

Erde                                  21 Mal

Alle/jede                         17 Mal

Tag                                   14 Mal

Himmel                          12 Mal

Wasser                           11 Mal

Licht/Lichter                  11 Mal

Sagen/sprechen           11 Mal

Nach seiner/ihrer Art  10 Mal

Natürlich gibt es noch weitere Leitwörter im Schöpfungsbericht, aber das sind die, die am Häufigsten vorkommen. Was also lernen wir anhand dieser Leitwörter über diese Geschichte? Hier ein paar Gedanken:

Zunächst einmal ist es interessant, dass das Wort „Gott“ (Hebräisch „Elohim“) mit Abstand am Häufigsten in dieser Geschichte vorkommt. Das deutet darauf hin, dass der Schöpfungsbericht nicht bloß ein Bericht über die Schöpfung ist, sondern vor allem eine Geschichte über Gott. Gott bildet quasi das Fundament der gesamten Geschichte und ist die Hauptperson. Ein Hauptanliegen des Schöpfungsberichts ist also uns mit diesem Wesen namens Gott bekannt machen.

Zugleich ist der Schöpfungsbericht auch ein Text über das sein/werden. Gott ist einfach. Im Anfang…Gott. Er existiert bevor irgendetwas geschaffen ist und ist derjenige, durch den alles andere existiert. Durch ihn ist bzw. wird alles. (Merke: dort, wo Gott im/am Anfang ist bzw. steht, ist Leben!) Mit das Erste, was wir über Gott erfahren, ist also, dass er ein Schöpfer ist. Das macht im Kern sein Wesen aus. Er ist sogar der Schöpfer schlechthin, der alles geschaffen hat und alles, was er schafft ist gut. Gott ist daher der erste und ultimative Schöpfer von guten Dingen. Er macht Leben möglich, indem er es dort licht werden lässt, wo zuvor nur Finsternis war, indem er es dort trocken werden lässt, wo zuvor nur Wasser war.

Apropos trocken: interessanterweise ist das Wort „Erde“ das zweithäufigste Substantiv in dieser Geschichte. Obwohl Gott sowohl die Himmel als auch die Erde schafft, liegt der Fokus der Schöpfungsgeschichte ganz klar auf der Erde. Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass das Wort „Erde“ wesentlich häufiger vorkommt als das Wort „Himmel“. Gott wird daher als der Schöpfer einer Erde (Hebr.: eretz) vorgestellt, die ein guter Ort des Lichts und des Lebens ist. Dies ist unter anderem deshalb von Bedeutung, weil es im Rest der Bibel im Kern darum geht, dass Gott verspricht, Israel ein Land (Hebr.: eretz) zu geben (z.B. 1. Mo 15,18) bzw. eine neue Erde (Hebr.: eretz) für diejenigen zu schaffen, die ihm dienen (z.B. Jes 65,17).

Da Gott die Hauptperson im Schöpfungsbericht ist, überrascht es nicht, dass er das Subjekt der meisten Verben ist. Gott spricht (11 Mal), Gott sieht (7 Mal), Gott schafft (6 Mal), Gott nennt (5 Mal), Gott macht (4 Mal), Gott segnet (3 Mal), Gott scheidet (2 Mal), Gott ruht (2 Mal), Gott setzt (1 Mal) und Gott vollendet (1 Mal). Gott ist also sehr aktiv in diesem Text, während z.B. die Menschen völlig passiv sind. Sie empfangen einfach die guten Dinge, die Gott für sie geschaffen hat. Auf diese Weise wird bereits im Schöpfungsbericht eine Hauptbotschaft der Bibel deutlich, nämlich, dass Menschen völlig von Gott abhängig sind und nichts tun können, um sich das Leben im Land/auf der Erde, die Gott bereitet hat, zu verdienen.

Auf den ersten Blick ist die gerade erwähnte Liste von göttlichen Handlungen etwas überraschend. Da es um einen Schöpfungsbericht geht, würde man erwarten, dass die Verben „schaffen“ oder „machen“ am Häufigsten vorkommen. Stattdessen ist es das Verb „sagen/sprechen“. Gott spricht mehr als alles andere. Von Anfang an wird er als ein kommunikatives Wesen vorgestellt, durch dessen Wort Dinge existieren. Der Schöpfungsbericht lehrt uns also auch, dass das Wort Gottes Macht hat zu erschaffen und zu verändern. Gottes Wort bringt Licht und Leben und Wachstum und Fruchtbarkeit. Und man kann diesem Wort vertrauen, denn was Gott spricht, das geschieht auch.